Dienstag, 17. Dezember 2013

Heute Arbeit finden

Arbeitslosigkeit ist völlig normal

Das wäre schon mal Lektion Nummer Eins.
Allzuviele Menschen, im ländlichen wie im städtischen Raum, scheinen eher der Ansicht, es sei ein Zeichen von Faulheit, von Sozialschmarotzertum und/oder von mangelndem Willen, heutzutage keine Arbeit zu haben.
Das trifft alles nicht zu. Die Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt sind eindeutig nicht das Versagen Einzelner. Das habe ich schon mal dargelegt (hier). Vielleicht ist es ein Versagen der Politk oder einfach nur menschliche Vergesslichkeit. Aber das hilft ja nicht weiter, darüber zu jammern. Denn ist es nicht am Ende der Einzelne, der es ausbaden muss und oft genug von seiner Umgebung genau diese Gefühle eingeredet bekommt: "Wie? Arbeitslos? Du willst wohl nicht?"
Dagegen hilft nur Umdenken. 

Umdenken (metanoieite)

Umdenken bedeutet nicht zwangsweise, das Gegenteil denken. "Wo ein Wille ist, ist ein Weg", wo kein Wille ist, die Ausrede. Wer wirklich will, findet einen Job. Das ist so! Nur: Was bedeutet "Wollen" wirklich?
Meiner Erfahrung nach geht das nicht ohne professionelle Hilfe. Sei sie vom Jobcoach des Bildungsträgers, der im Auftrag der Agentur für Arbeit tätig ist, sei sie vom Karrierecoach oder vom Seelsorger. 
Es gibt nämlich keine Schwächen, nur Lernfelder. 
  • Du bist ungeduldig? Lerne Gelduld. 
  • Du strebst nach dem Vollkommenen bis hin zum Perfektionsdrang? Gelassenheit und Mut zum Fehler sind die Lektionen. 
Diese Lern-Prozesse sind am besten individuell durchzuführen. Denn wo auch immer der Schwachpunkt der Karriere liegt, es gilt, diesen aufzuarbeiten. Nur so ist die Chance wahrzunehmen, die sich mit dem (angeblichen oder realen) Versagen zugleich ergab. 

Warum? Weil es in dieser Welt Tag und Nacht, Licht und Schatten, warm und kalt gibt, und viele andere Dinge, die erst zusammen ein Ganzes ergeben, so gibt es auch Versagen und Gewinn in einem. In Dir! 
Es gibt übrigens auch keine echten Stärken. 
Pünktlich und zuverlässig zu sein sind Selbstverständlichkeiten, keine Stärken. 
Echte Stärken sind besondere berufliche Kenntnisse. Die meisten haben es versäumt, sich hier zu verbessern oder wenigstens gut aufzustellen, sich arbeitsmarktkonform weiterzubilden oder überhaupt Interesse an so etwas aufzubringen. 
Howard Gardner (28.11.2013) nannte das:

"Exzellenz, Ethik und Engagement.

"Exzellenz bedeutet, kompetent und effektiv sein im Beruf. Ethik bezieht sich auf soziale Verantwortung: Haben Ihre Arbeit, Ihr Verhalten und das Produkt, das Sie herstellen, positive Auswirkungen auf andere? Engagement heißt: Gehen Sie auf in Ihrer Arbeit, werden Sie gefordert, macht Ihnen Freude, was Sie tun?" (Gardner) 
Was bedeutet diese drei "E" konkret? 
Zur Exzellenz zunächst ein paar Überlegungen.
  • Die Bewerbungsunterlagen sind in Ordnung. 
    Es wundert, wie mangelhaft die Schulbildung und Willensbildung sein muss, wenn Menschen doppelte und fehlende Leerzeichen nach Satzzeichen über ihre Bewerbungsunterlagen verteilen, als ob sie dafür bezahlt würden. Es gibt Schwachstellen in der Darstellung eines beruflichen Werdegangs. Den lückenlosen Lebenslauf gibt es meiner Ansicht nach nicht mehr. Es gibt Ziellosigkeiten, Ratlosigkeiten, und allzuoft wenig langfristige Strategien.
  • Stärken sind erarbeitet. 
    Ich stelle immer wieder fest, dass die Frage: "Was können Sie denn außer dem gelernten Beruf noch?" mit Achselzucken beantwortet wird. Und ich behaupte, die einzig legitime Antwort eines Bewerbers ist: "Was brauchen Sie?" Und dann gilt, bereits zu wissen, wie schnell das Nötige gelernt werden kann. 
  • Was will ich? Persönliche und berufliche Ziele sind bekannt. 
    Niemand setzt sich in ein Auto, lässt den Motor an und überlegt dann, wohin er will. So bewerben sich aber viele  Jobsuchende heute. "Erst mal raus, und dann überleg ich, wohin." Das kann nur bedingt gutgehen. 
  • Wollen bedeutet auch die Akzeptanz der Veränderung
    Es gibt keine sicheren Jobs mehr. Zeitarbeit und Personalüberlassung haben große Teile des Arbeitsmarktes übernommen. Der Lohn ist bekanntermaßen nicht hoch. Stellen sind befristet. Punkt. Wer will, muss dies als Ausgangspunkt akzeptieren und kann sich ja politisch für Veränderungen engagieren. Darüber jammern hat noch keinen in den Job gebracht. 

Zur Ethik fält mir folgendes ein: Das Auftreten ist leider oft genug mehr als zweifelhaft, also ernsthaft "wenig geil, Alter?!" Muss man erwachsenen Menschen heute wirklich erklären, dass sie sauber und mit einem frischgewaschenen Hemd zum Vorstellungsgespräch gehen sollten? Das ist ein Inhalt von Vorbereitungskursen auf das Vorstellungsgespräch! 

Oft ist die Außenwirkung eines Menschen eindeutig miserabel, ein Fehlgriff im Ton. Vielleicht ein Mangel an Selbstvertrauen? Aber was soll's: Souveränität, Selbstbewusstsein, alles Lernfelder. Keiner wird so geboren, wie er heute ist. Er oder sie hat etwas aus sich gemacht. Jeder ist verantwortlich für das, was er, sie, es heute ist. 
Gardner: "Dafür gibt es keine fertige Lösung, jeder muss seine eigene moralische Identität entwickeln. Aber es gibt Fragen, die dabei helfen. Zum Beispiel: Welchen Menschen oder welcher Sache fühle ich mich in meiner Arbeit verantwortlich? Es hilft auch, sich Kritik von Kollegen und Vorgesetzten einzuholen. Ehrlich mit sich selbst zu sein ist hart, aber notwendig. Eine gute Frage ist: Würde ich es mögen, wenn mein Verhalten auf der Titelseite der lokalen Zeitung beschrieben würde?"
Hier gibt es Vor-Entscheidungen, die als Selbstwertgefühl daherkommen ("Es ist mir egal, was ein anderer über mich denkt") -- und oft genug eine glatte Lüge sind. Wir wollen gefallen, attraktiv sein. Das war am Anfang unseres Lebens überlebensnotwendig. Und wir haben das mit Sicherheit nicht verlernt. Es ist anstrengend, ja. Und daher sind wir faul, unbeweglich, sträuben uns vor Veränderungen und meckern lieber weiter, statt uns für uns selbst zu engagieren. 
Sich engagieren bedeutet, die beste Strategie anzuwenden. Was ist die beste Strategie?
  • schnell sein: Alles, was zum exzellenten Wollen dazugehört, ist erledigt. Und zwar vorher. 
    * Bewerbungsunterlagen? optimiert
    * Stärken? erarbeitet
    * Ziele? Zielgruppe? Kunden? Kollegen? klar und konkret benannt (so gut es eben geht)
    * Belohnung? (finanziell über die Runden kommen genügt langfristig nicht!) Was kann ich da lernen, was mir langfristig weiterhilft? 
    * Werte? Vision? Was ist mir wichtig im Leben? (*grübel*)
  • zuversichtlich sein: Da wir einzigartige Wesen sind, gibt es für jeden einen Platz. Das bedeutet in diesen Umbrüchen jedoch nicht zwingend: einen bezahlten Arbeitsplatz. Kenne ich meine Alternativen? Was interessiert mich denn über das Berufliche, das bisher beruflich Geleistete hinaus? Was würde ich denn gerne tun? 
  • begeistert sein: "Oh Gott!" Wer liebt seinen Arbeitsplatz wirklich? Wer geht mit Freude in die Firma, seinen Tag für wenig Geld und für Andere zu vergeuden? Was erfreut die Seele wirklich an der tagtäglichen Arbeit? Was bewegt das Herz? Wovon redet der Mund? Liebe zur Arbeit, mit all ihren Konsequenzen, wird das Einzige sein, was den eigenen Arbeitsplatz für die Zukunft sichern kann. Denn dann machen wir mit unserer Arbeit einen Unterschied. Sonst erfüllen wir nur einen Job, einen Job, den jeder andere auch ausüben kann. 
Gardner: "Was ist die Mission hinter meiner Arbeit? Wer sind die Vorbilder, denen ich nacheifere – und warum? Wenn ich mich selbst im Spiegel anschaue – als Arbeitender – bin ich stolz auf mich? Wenn alle in meinem Beruf so wären wie ich – würde ich in dieser Gesellschaft leben wollen?"
Ein vierter Punkt ergänzt die ersten drei genannten:  
  • die erforderliche Anzahl an Bewerbungen: In vielen "Noch-Jobs" hilft nur eine hohe Zahl an Bewerbungen, um schnell in Arbeit zu kommen. Eine Friseurmeisterin, kurz vor Arbeitslosengeld II, schrieb an einem (!) Tag alle 180 Friseure der Stadt an und bekam schnell eine Übersicht, ob sie hier Chancen hat oder eine andere Strategie anwenden muss. Ihr Plan B war fertig (Selbstständigkeit). 
Weniger Qualifizierte haben fast keine andere Möglichkeit, als über die Anzahl der Bewerbungen sich einen Job zu ergattern. Denn Beziehungen zu pflegen, die zu guten Tätigkeiten führen, ist eine Frage der Exzellenz, der Ethik und des Engagements.

Der Staat, also wir, wir werden uns Gedanken machen müssen, wie wir mit diesen Menschen umgehen. Nichts oder wenig aus sich gemacht zu haben, ist gewiss nichts, was eine Belohnung verdient, aber auch nicht Bestrafung. Denn selbst die beste Weiterbildung oder gute Qualifikation schützt spätestens beim Älterwerden nicht mehr zwingend vor Erwerbslosigkeit. (Eine Lösungsidee ist das bedingungslose Grundeinkommen.) Ja, es gibt Menschen, die wollen wirklich nicht. Warum auch für den sprichwörtlichen "Appel und Ei"-Lohn auf die Halbtagsstelle dreißig Kilometer fahren? Und es gibt Menschen, die können nicht. Sei es, weil eine Behinderung vorliegt, sei es, weil man oder frau sich lieber um die eigenen Kinder kümmern möchte als sie in eine Tagesstätte zu geben. Das finde ich sehr verständlich. 

Auch dann ist es hilfreich, eine langfristige Strategie zu haben. Viele der Jobs von heute, wird es morgen nicht mehr geben. Eine sinnvolle Tätigkeit ist daher immer besser als ein Job, als irgendein Job. Davon später mehr. 

Was sind Ihre Erfahrungen? 

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