Mittwoch, 16. April 2014

Ostern

Warum ist diese Nacht anders als alle anderen Nächte?

Warum ist diese Nacht anders als alle anderen Nächte? Warum hören wir, was wir schon wussten und warum gehen wir zurück zum Anfang?
Diese Nacht ist so anders, weil Gott mich daran erinnern will, dass ich als ein einmaliger Mensch geschaffen wurde, als Mann und als Frau. Ich soll nochmals und wieder und immer wieder hören und lesen, was unerhört ist, was ich schon wusste, soll es neu zu hören, weil Gott mich kennt und weiß, dass ich dazu neige, zu vergessen, was ich bin:
Ein einmaliger Mensch.
Mit meinen Fähigkeiten kann ich vor Gott stehen, mit meiner Lebensgeschichte, mit traurigen Erlebnissen, mit Krankheit, Tod und Verlust, mit vielen Erfahrungen, die mich geprägt haben — manche mehr, als mir lieb sind.
Auch mit meinen freudigen Augenblicken stehe ich vor meinem Gott, mit meinen Gedanken, Sehnsüchten, mit den Hoffnungen, aus denen ich meine Träume und Visionen schöpfe, und mit dem Willen, meine Zukunft auf diesem Planeten zu gestalten.
Und ich soll es nicht nur nochmals hören — ich will es auch hören, was ich schon längst weiß, weil Gott mir Freiheit schenkt in seiner genialen Schöpfungs-Ordnung.
Denn es ist — gottlob — nicht mein Schicksal, wie die Sterne über Raum und Zeit hinweg zu leuchten, nicht wie die Seetiere bin ich verdonnert, im Meer zu wimmeln; bin nicht wie die Kriechtiere auf dem Erdboden: aufrecht darf ich sein und gehen.
Gott richtet, richtet es, mich richtet Gott auf.
Ich darf selbst meinen Ort suchen und gestalten, kann wählen, wo ich mich engagiere und kann auch von dort wieder weggehen an einen neuen Ort — oder auch einmal ganz weg aus diesem Leben.
Denn manchmal ist meine Energie zu Ende, da wünschte ich mir, es gäbe ein Ort, an dem mein ruheloses Herz Ruhe findet, da wünschte ich mir eine Heimat und Geborgenheit, eine Problemlosigkeit, die es auf dieser Erde nicht gibt, da möchte ich mit jemandem zusammen sein, bei dem ich einfach so sein darf, wie ich bin.
Dann möchte ich, dass die Schöpfung ihren Atem anhält — für einen Moment, Karsamstag, nur eine kleine Atempause bitte.
Und schon geht es weiter, unerwartet und plötzlich geht es immer weiter und weiter, und es wird Abend und es wird Morgen und es wird und wird und wird — und ich?
Bin ich schon ganz fertig? Schon fix und fertig? Also vollendet? Fix und fertig bin ich oft, erschöpft, aber kaum fertig und zu Ende geschöpft, geschaffen, vollendet.
Vielleicht fange ich heute mal wieder ganz neu an.
Ein Wunsch, den ich mir erfülle,
  • eine Hoffnung, die ich laut denke,
  • ein kleines Licht,
  • ein neuer Atemzug
und siehe: es ist sehr gut: Ich bin ein Mensch — und ich werde...

Schöpfung — Gen 1,1-2.2

Sie ist so mehrstimmig in ihrer Einzigartigkeit, diese Nacht, sie ist so anders, weil sie nicht nur gibt und schenkt, sondern weil sie auch fordert.
Gott schenkt mir, und verlangt zugleich, was mir in dieser Nacht zugesprochen wird.
Und diese Nacht will ich es nochmals hören, das Oftgehörte Unerhörte Ungehörige.
Diese Nacht hat es in sich, das Geheimnis.
Diese Nacht geht mit mir das Risiko ein, dass ich sie missverstehe, wie alle Geheimnisse.
Vielleicht werde ich dazu neigen, Dinge, die mir lieb und teuer sind, etwas schnell und bereitwillig aufzugeben. Vielleicht werde ich als Willen Gottes deuten, weil ich etwas höre, was Gott mir gar nicht sagt. Das Risiko des Irrtums bleibt mir in dieser so anderen Nacht, weil ich ein Mensch bin, in dieser Welt — und es gehört zu meiner Freiheit, die ganze Geschichte falsch zu verstehen — leider Gottes.
Aber wenn ich mich traue, einmal gegen meine bisherigen Überzeugungen zu handeln, wenn ich mein mir Liebstes einmal aufzugeben bereit bin, kann es geschehen, dass sich zum Segen wendet, was als Schrecken begann.
Und wenn ich aufschaue, wenn ich auf euch schaue, dann sehe ich, dass Gott anders will und anders ist, nicht nur diese Nacht, und das will ich jetzt noch einmal hören: dass Gott sich mir in seiner ganzen Unbegreiflichkeit vor Augen stellt und mir sogar in den Ohren dröhnt.

Opferung des Isaak — Gen 22,1-18

Diese Nacht ist so anders, weil mich erinnert, dass ich ein Gefangener bin, Sklave in fremdem Land. Oft genug meines eigenes Lebens, meiner Gedanken Gefangener,im Kopfkino verirrter. Vorgegebenes als auch Selbstgewähltes bestimmen mein Leben. Mein Selbstverständnis beschränkt mich wie meine Rolle am Arbeitsplatz: Sklave des Zwanges, Geld verdienen zu müssen. Knecht auch der Familie, waschen, putzen, spülen, stopfen, mein Leben in meinen alltäglichen und nichtalltäglichen Aufgaben.
An meinen Grenzen ecke ich an und hole mir blaue Flecken — und ich falle und stehe wieder auf. Mein Tagesablauf, meine Notwendigkeiten — es ist vieles geregelt.
Das ist sehr gut, doch möchte ich manchmal vor mir davon laufen.
Gott erinnert mich in dieser Nacht, dass ich aufbrechen kann.
Nicht alles ist auf ewig zementiert, was mich im Moment nicht atmen lässt.
Gott erinnert mich, dass die Entscheidung zum Aufbruch bei mir liegt; es gibt keine unüberwindlichen Hindernisse. Ich muss kein anderer sein als der, der ich bin, aber es fordert Bewegung, genau dieser auch wirklich zu sein.
Und manchmal dauert es lange, lange, bis ich endlich aufbreche und kaum auf dem Weg, bekomme ich Angst vor meinem eigenen Wagemut.
Bisweilen muss ich aber zu meinem eigenen Heil manches zurücklassen, wenn nicht gar alles. Manchmal muss ich sagen: So nicht mehr und das ist vorbei. Mit mir nicht!
Das ist der Preis meiner Freiheit, er ist oft hoch, aber ihn nicht zu zahlen, wäre ein Verrat an mir selbst. Und so sage ich, mit Freude und Trauer zugleich, will es sagen: "Nach mir die Flut" — auch, wenn ein Ägypter das sicherlich anders sehen würde.

Exodus — Ex 14,15-15,1

Diese Nacht führt mich in die merkwürdige Beziehung Gottes zu den Menschen ein, ja, zu mir.
  • Eine Liebe, die mir un-verständlich ist, so wie meine Liebe unerhört ist/bleibt ... Mein Verstand fasst sie nicht.
  • Eine Liebe, so unglaubwürdig, unerhört, ungehörig, unmoralisch, weil ich sie so sehr anders erfahre als ich sie gerne hätte.
  • Eine Liebe, so groß, dass sie außerhalb meiner Erfahrung ruht, weil kein Mensch auf diese Weise mich je geliebt hat.
Daher fürchte ich mich vor dieser schwer nachvollziehbaren Treue Gottes zu mir.
Aber auch weil ich so wechselhaft in meinen sturmgepeitschten Gefühlen bin.
In dieser Liebes-Nacht erinnert Gott mich als geprüftes Gegenüber; und nach meiner Empörung über diese merkwürdige Erziehung von sich annäherndem Entziehen und von neuem verlassenen Nahekommen, spüre ich, fern von Bedrängnis:
Ich muss mich nicht mehr fürchten.
Staunend sehe ich: ein Trost steigt auf aus meiner Klage, Flut schwemmte nicht alles weg, nicht alles ist gescheitert, dort am Kreuz — und ich, wo stehe ich?
So langsam verspüre ich wieder einen festen Boden unter den Füßen.

Jerusalem — Jes 54,5-14

Diese Nacht ist so anders, Gottes Nacht ist sie und Gottes Vergeltung bedeutet, dass andere Maßstäbe gelten als bei mir. Gott ruft nicht nur mich, auch andere Menschen, dies ist die Andere Nacht, die selige Nacht, die Himmel und Erde versöhnt, Gott und Menschen verbindet. Nicht alleine bleibe ich in meiner Nacht-Klage.
Gemeinschaft ruft mich.
Aber kein Herrschen über, kein Dienen unter mir.
Geld, Ansehen, Position, Studium und Bildung, Geschlecht, Lebensform, Privilegien  — unsere Unterscheidungen kennt Gott nur zu gut, sie sind nicht mehr brauchbar.
Gott ruft, und ich darf, frei und mutig, Gott Gott sein lassen, darf mich an Menschen binden: Mich erhört und erinnert ein Gott mit Gedanken, die nicht meine Gedanken sind und erinnert ein Gott mit Wegen, die nicht meine Wege sind.
Und mir an manchen Begriffen die Zähne ausbeißend, entdecke ich doch im Wort Gottes einen Geschmack, der vorher nicht da war; überschmeckt war.
Denn nun, da ich Unerhörtes höre, lebe ich.
Mein Durst wird gestillt, und schaut: auch mein Hunger findet Nahrung an Gottes Tisch.

"Auf Ihr Durstigen, kommt" — Jes 55,1-11

Diese Nacht ist so anders als alle anderen Nächte, sie öffnet mir Augen und es wird mir immer heller, neues Leben regt sich.
Es will heraus. Das Innere.
Mir ist, als ob ich schwanger wäre.
Direkt vor mir, genau da, eine Tür, eine Öffnung, die mich aus einem dunklen Grab, dem schlafend ruhenden Leib hinaus, in eine zauberhafte, helle Landschaft führt. "Du Gott des Lichts auf dessen Reich der helle Schein der Sonne weist." (Hymnus zur Sext)
Gerade eben neu gemacht, so sieht sie aus.
Als Nicht-Abgenutzte, Nicht-Verschlissene, erkenne ich sie kaum wieder, da ich den Raum dahinter noch nie betrat.
Kein blinder Gehorsam zwingt mich, zu gehen.
Ein sehendes, freies Einverständnis drängt mich, den Schritt zu wagen.
Ein Rufen!
Zitternd sag ich mein "Hier bin ich".
Weisheit und Einsicht, von Gott gelehrt, von mir so lange nicht gewollt, schwer erkannt, unter Schmerzen geboren. Und habe kein Wort, kein Gefühl, kein Bild zu zeigen als mich selbst.
Das ist die Kraft meiner Nacht, die mich gefunden hat, die mir eine Tür in einen neuen Morgen öffnet.
Ich weiß nicht, soll ich durch diese Tür gehen?
Ich möchte so gerne, doch was ist mit euch?
Geht ihr mit?
Lasst bitte, zurückbleibend, mich nicht alleine gehen, sonst will ich auch bleiben — hier im Dunkel — mit euch.

Lerne, wo Lebensglück ist — Bar 3,9-15 und 32-4,4

Diese Nacht, so anders!
Gott, erinnert mich, erhört mich. Gott ist ein leidenschaftlicher und lebendiger Gott, ist sinnlich, spielerisch, mal zärtlich und mal wild. So nimmt er mich, lässt sich immer wieder neu auf mich ein.
Da, ein Schlag dringt nach Außen. Ein Herz-Schlag. Ein Stein bricht auf, wo mein Herz war — und da schlägt es wieder und wieder und wieder mit ruhigem Puls.
Gott macht lebendig, wieder lebendig.
Fleisch und Blut, und es heilt jetzt leise unter uns. Erstarrt war, lebendig wird — spürt ihrs? Es glüht, wird wärmer, heller, lichter, klarer.
Wo ich gescheitert bin, kommt neu das Leben in Fülle, reinigendes Wasser, neue Gedanken in neuem Geist. Und aus der Nacht, die über mich kam, aus der Dunkelheit, von der die Nacht stammt, in der ich lebe, wird Kraft, große Kraft:
Gott, ich glaube dir diese Nacht.
Und ich höre, hört ihrs nicht? Da lebt was. Da wacht etwas auf vom Tode.

Die Verheißung eines neuen Lebens — Ez 36,16-17a.18-28

Christus ist auferstanden!

Es folgen die neutestamentliche Lesung und das Evangelium
Röm 6,3-11


Evangelium Mt 28,1-10

http://jobo72.wordpress.com/2014/04/17/millionen-christen-durfen-nicht-feiern/

Wir dürfen feiern! Christus ist auferstanden!

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